Ein Bild des Neubaus aus der Vogelperspektive

Rede des Präsidenten anlässlich des Festakts zu 50 Jahren Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim

Sehr geehrte, liebe Frau Staatssekretärin Olschowski,

sehr geehrter Herr Joukov,

sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Specht,

sehr geehrte Stadträtin und Stadträte,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe Hochschulmitglieder,

 

endlich ist es soweit. Wir können mit unserem schon lange vorbereiteten Festakt das 50-jährige Jubiläum der Verstaatlichung der Hochschule feiern. Die ursprünglich für den November letzten Jahres vorgesehene Veranstaltung musste coronabedingt abgesagt werden, genauso wie so vieles Andere seit dem März 2020. Insgesamt glaube ich aber, die Hochschulgemeinschaft ist zusammen gut durch diese schwierige Zeit gekommen.

Ansteckungen in der Hochschule wurden durch unsere Schutzmaßnahmen und unser internes Nachverfolgungs- und Informationsmanagement fast völlig vermieden. Trotzdem konnten die Kernfächer in allen Semestern in Präsenz unterrichtet werden. Defizite – insbesondere im Bereich des Ensemblespiels – gleichen wir in diesem Jahr durch gezielte Verstärkungen aus.

Von größter Wichtigkeit war das Vertrauen, das die Landesregierung der Arbeit der Rektorinnen und Rektoren der Hochschulen gewährte. Die Delegation von Entscheidungsbefugnissen und Verantwortung in Bezug auf die Corona-Schutzmaßnahmen an die Rektorate hat sich sehr bewährt und sollte – meiner Meinung nach – beispielgebend für die Zusammenarbeit auch in Bezug auf andere Themen sein. Die zusätzlichen Mittel des Wissenschaftsministeriums für die Entwicklung von Online-Lehrangeboten zu Beginn der Corona-Pandemie waren ebenso notwendig wie hilfreich. Darauf aufbauend gelang es uns, Drittmittel in Höhe von mehr als 1.000.000 € der Stiftung Innovation in der Hochschullehre einzuwerben, um die Bereiche Blended Learning und Digitale Bühne grundsätzlich voran zu bringen.

Noch ist die Corona-Pandemie nicht bewältigt und niemand kann genau vorhersehen, welche Schutzmaßnahmen in diesem Zusammenhang eventuell noch im Winter nötig sein werden. Gleichzeitig sind wir tief bestürzt über den Krieg gegen die Ukraine und die schrecklichen Ereignisse dort. Als Bürgerinnen und Bürger im sicheren und reichen Deutschland sind wir zweifellos moralisch zur Hilfe verpflichtet und tun dies gerne. Ca. 60 Anfragen von Ukrainerinnen in Bezug auf die kurzfristige Zusage von Studienplätzen an unserer Hochschule haben wir mittlerweile positiv beantwortet. Auch wenn letztlich nicht alle diese Personen tatsächlich zu uns kommen, in Anbetracht der nur 583 regulären Studienplätze unseres Hauses ist das ein immenser, aber auch notwendiger Kraftakt. Außerdem konnten wir eine ukrainische Pianistin  einstellen und mehrere Lehraufträge an Ukrainerinnen vergeben. Die Hochschule hat in diesem Zusammenhang auch ca. 50.000 € an Spenden eingeworben. Und doch bleibt es auch immer wieder enttäuschend,  welche reichen Institutionen auch in dieser Extremsituation nicht zur Unterstützung bereit sind.
Wir danken den Großzügigen: der Ernst von Siemens Musikstiftung, der Joachim und Susanne Schulz Stiftung  und der RUDOLF FUCHS GMBH & CO.KG.

Viel größer noch als die deutsche Hilfe ist diejenige der Bürgerinnen und Bürger in den direkten Nachbarländern der Ukraine. Ich bin deshalb vor kurzem nach Rumänien und in die Republik Moldau gereist, um vor Ort durch Klavier-Masterclasses zu unterstützen. Wir hoffen sehr, durch unser Handeln das unbeschreibliche Leid der Ukrainerinnen und Ukrainern ein ganz klein wenig zu lindern.

Engagement in der sogenannten Third Mission – also im Bereich gesellschaftlicher Bedürfnisse jenseits unseres Kernauftrags – hat bei uns zum Glück schon eine gute Tradition. So haben wir beispielsweise vor  der Corona-Pandemie in Flüchtlingsunterkünften und Grundschulen elementare Musizierangebote zum Mitmachen speziell für Kinder und Jugendliche aus Syrien und Afghanistan gemacht. Ebenso selbstverständlich gehören aktivierende Angebote für Seniorinnen und Senioren in deren alltäglichem Umfeld zu unserer Arbeit. Ich danke sehr herzlich den Generationen von beteiligten Studierenden sowie den  koordinierenden Lehrenden Prof. Elias Betz und Simone Reisner.

Einen ganz besonderen Stellenwert hat für uns die musikalische Bildung von Kindern und Jugendlichen. Deshalb haben wir schon vor Jahrzehnten ein Pre-College für Tänzerinnen und Musiker eingerichtet, in  dem Hochschullehrer Nachwuchstalente unterrichten. Mittlerweile handelt es sich um eine der großen Einrichtungen dieser Art an Musikhochschulen in Deutschland. Daraus entstand das Netzwerk Amadé,  durch das auch Schülerinnen und Schüler von fast 40 Musikschulen der Metropolregion Angebote der Hochschule wahrnehmen können. Für diese Zusammenarbeit auf Augenhöhe erfahren wir bundesweit hohe  Wertschätzung.

Mit gleichem Engagement haben wir uns jetzt in das „Projekt“ Musikgymnasium gestürzt und freuen uns sehr, dass dessen Einrichtung als Ziel im aktuellen Koalitionsvertrag der Landesregierung genannt wird. Wir planen hier Teilnehmerzahlen in Klassenstärke von Klasse 5 bis zum Abitur. Das Angebot verbessert die Studienvorbereitung für Musikhochschulen durch die Gymnasien, stärkt aber vor allem die musikalische Bildung für einen großen Kreis von Schülerinnen und Schüler, die musikpraktische Aktivitäten vor allem als Teil einer umfassenden Persönlichkeitsbildung und natürlich mit Spaß und Engagement betreiben. Ich freue mich sehr, dass unsere Partner für dieses Projekt, die Verantwortlichen des Moll-Gymnasiums und der Musikschule Mannheim, von vornherein ganz ähnliche Ziel verfolgt haben wie die Hochschule.

Noch einen anderen innovativen Bereich, in dem über Fächer- und Hochschulgrenzen hinweg gearbeitet werden soll, möchte ich nennen: Die Hochschule wirbt als treibende Kraft für die Einrichtung eines „Netzwerks künstlerische Forschung“, der Kunsthochschulen, aber auch Institutionen wie das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik angehören könnten und das sich von Freiburg und Trossingen bis nach Köln erstrecken könnte, also über den Rhein-Neckar-Raum im umfassendsten Sinn. Vertreter der genannten Institutionen haben wir für ein Symposium im Herbst nach Mannheim eingeladen, und wir würden uns sehr freuen, wenn auch Sie, liebe Frau Staatssekretärin Olschowski, uns aus diesem Anlass erneut besuchen könnten.
Das innovative Konzept der künstlerischen Forschung, dem der Wissenschaftsrat jüngst ein umfassendes und unterstützendes Gutachten widmete, verfolgt die überfällige Vernetzung zwischen Musikpraxis und  Musikwissenschaften. Selbstverständlich soll die traditionelle Spezialisierung auch auf höchstem Niveau weiter möglich bleiben. Ergänzend ist aber Teamarbeit unerlässlich: Das genannte Zusammenwirken der  Institutionen, aber eben auch tagtäglich die Zusammenarbeit in kleinen Teams aus Musikpraktikerinnen und Musikwissenschaftlern mit unterschiedlichen fachlichen Schwerpunkten.

Ich hoffe, ich konnte deutlich machen: An der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim werden zahlreiche innovative Ideen entwickelt und umgesetzt. Zum Glück stellt uns das Land  hierfür auch jedes Jahr gesteigerte Finanzmittel zur Verfügung. Für deren Garantie in der Hochschulfinanzierungsvereinbarung II sind wir sehr dankbar!
Allerdings wird die Raumnot in unseren beiden Häusern mit jeder zusätzlichen Stelle größer, denn einen Ausbau unserer Gebäude hat es seit mehr als 20 Jahren nicht mehr gegeben. Mehr noch: Mit dem Bau des bereits 1996 vom Ministerrat des Landes genehmigten  Bauabschnitt der Hochschule, dem dringend benötigten Konzert- und Theatersaal, wurde immer noch nicht begonnen. Zumindest auf die Standortwahl und die Sicherung dieses Standorts für die Hochschule kann nun nicht mehr länger gewartet werden. Der genannte Beschluss des Ministerrats aus dem Jahr 1996 legt fest, dass der Hochschulsaal im Hof der Bestandsgebäude errichtet werden soll. Erst vor wenigen  Jahren wurde bei Prof. Waechter dazu eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, deren Ergebnis Viele überrascht hat: Die Verwirklichung eines funktional und bauästhetisch überzeugenden Konzepts war  trotz der beengten Raumverhältnisse im Hof möglich. Leider kam es danach trotzdem nicht zu einer Umsetzungsentscheidung, mit der Konsequenz, dass unser neuer Nachbar, Diringer & Scheidel, beim Umbau  des ehemaligen Kaufhauses Galeria Kaufhof jetzt Fakten geschaffen hat, die die Errichtung des Baus im Hof der Hochschule ausschließen. Mit den Besitzern des Kaufhauses wären wir uns einig gewesen,  gegenseitig die Grenzbebauung zuzulassen, und das Kaufhaus wurde tatsächlich bis auf die Grundstücksgrenze gebaut. Nun entstehen an gleicher Stelle Appartements mit Fenstern und die Grenzbebauung ist dadurch ausgeschlossen. Der schon enge Hof der Hochschule kann somit nicht mehr in seiner gesamten Ausdehnung für eine Bebauung genutzt werden, und die Realisierung des Saals der Hochschule dort ist  mittlerweile ausgeschlossen.
Etwas Vergleichbares darf nicht noch einmal passieren, deshalb unser dringender Appell heute: Denn aktuell hat sich eine Alternative ergeben, die Viele überhaupt für die beste Lösung halten. Wieder wurde von einem renommierten Architekturbüro eine sehr überzeugende Machbarkeitsstudie vorgelegt, dieses Mal sogar unter Hinzuziehung von Spezialisten für die Bereiche Akustik  und Bühnenbau. Aber auch hier könnte sich das Zeitfenster der Möglichkeit in naher Zukunft schließen und damit die Umsetzbarkeit auch dieser Planung verhindern. Dass die Standortentscheidung des  Ministerrats aus dem Jahr 1996 – Bau des Saals im Hof der Hochschule – heute nicht mehr umsetzbar ist, weil standortsichernde Maßnahmen unterblieben, mussten wir leidvoll erfahren. Selbst wenn die  eigentlichen Baumaßnahmen in den nächsten Jahren nicht erfolgen sollten, muss doch zumindest in den nächsten Monaten der zuletzt mit so positivem Ergebnis untersuchte Standort für den Saal endgültig  festgelegt und durch Maßnahmen endgültig für die Hochschule gesichert werden, das beschriebene neue „window of opportunity“ muss genutzt werden. Geeignete weitere alternative Standorte sind auf  Jahrzehnte nicht absehbar, denn der Hochschulsaal muss in der Nachbarschaft der Bestandsgebäude entstehen, um für die Vorbereitung auf die Aufführungen die Übe- und Probenräume der Bestandsgebäude  nutzen zu können. Dies ist an allen Musikhochschulen notwendig und realisiert.

Sehr geehrte, liebe Frau Staatssekretärin Olschowski, Sie sind eine der einflussreichsten Entscheiderinnen in Bezug auf die Realisierung des vor 26 Jahren von der Landesregierung versprochenen Saals. Wir appellieren herzlich, aber auch nachdrücklich an Sie, sich für die beschriebene sehr gute Lösung einzusetzen. Das Fehlen des Konzert- und Theatersaals ist ein gravierender Standortnachteil in der täglichen  Arbeit für diese Hochschule. Alle vier anderen Musikhochschulen in Baden-Württemberg verfügen über derartige Säle, 22 von 24 Musikhochschulen in Deutschland verfügen über derartige Säle, nur die  Hochschule für Künste Bremen ist in einer ähnlichen Situation wie wir. Trotzdem wären wir bereit, sogar noch mehr als 10 Jahre auf die Fertigstellung unseres Saals zu warten. Worauf wir nicht mehr warten  können, ist eine nachhaltig gesicherte Standortentscheidung. Es darf nicht ein zweites Mal geschehen, dass sich das Zeitfenster für die Sicherung eines sehr geeigneten Standorts schließt und die Hochschule  weitere 26 Jahre warten muss, bis sich vielleicht doch unerwartet und derzeit nicht absehbar eine geeignete Alternative zeigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben es sich wahrscheinlich schon gedacht: Das Fehlen des Hochschulsaals hat dazu geführt, dass wir unser Jubiläum nicht in der Hochschule feiern. Im Herbst  gastierten wir einmal mehr im Rosengarten und im Rittersaal, aber wenigstens eine Veranstaltung wollten wir doch in N 7, 17 durchführen, auch wenn dies in dem Gebäudeteil geschieht, der nicht dem Land  gehört.
Das ist aber nicht der einzige Grund für die Wahl des CinemaxX als Veranstaltungsort. Gerne möchten wir Ihnen heute die Hochschule präsentieren als einen Ort, an dem die audiovisuellen Medien eine  wichtige Rolle spielen und an dem die Digitalisierung im Zusammenhang mit Musik und Darstellenden Künsten weiter gedacht wird. Deshalb die Wahl unterschiedlicher Räume und Veranstaltungsformate für  die Präsentation unserer so vielgestaltigen Arbeitsergebnisse. Natürlich bilden Live-Performances in dafür geeigneten Sälen unseren Schwerpunkt, diese haben wir in großer Zahl im vergangenen Herbst gezeigt.  Die heutige Veranstaltung muss in diesem Kontext gesehen werden, wenn auch der zeitliche Zusammenhang coronabedingt so unerwünscht gedehnt wurde. In gewisser Weise ist dieser Vormittag auch  für uns ein Experiment: Eine Veranstaltung im Kino haben wir noch nicht durchgeführt. Ich bin aber überzeugt: Sie wird Ihnen gefallen.

Kurze Erläuterungen zu einigen Programmpunkten erscheinen mir nötig:

- Die „Gesänge des Daseins“ wurden für den Heidelberger Frühling komponiert und realisiert und danach im Rahmen des Festivals D-bü auch im Konzerthaus Berlin gezeigt.

- Die Videobotschaft von Herrn MP Kretschmann wurde bereits im Herbst für den ursprünglich vorgesehenen Veranstaltungstermin 2021 aufgenommen.

- „Focus of the Fractal“ ist ein Werk unserer Absolventen Hong Jun Seo. Wir baten ihn für die Gala-Biennale der Hochschule ein neues Werk zu schreiben, nachdem er einen großen Wettbewerb in Spanien und  ein Preisgeld von 20.000 € gewonnen hatte. Der Solist Friedemann Eichhorn ist ebenfalls Absolvent dieser Hochschule und Professor an der Musikhochschule in Weimar.

- Herr Oberbürgermeister Dr. Kurz ist leider im Ausland erkrankt. Wir freuen uns sehr darüber, dass Sie lieber Herr Erster Bürgermeister Specht sich sofort bereit erklärt haben, an Stelle des Herrn Oberbürgermeisters heute zu uns zu sprechen. Dafür danken wir Ihnen herzlich.

- Dirigieren im Fokus ist ein Festival, dass das Landeszentrum für Dirigieren der Hochschule jedes Jahr durchführt.

- Der Film „Aufbruch in eine vielfältige Zukunft“ dokumentiert den  Stand des im Herbst 2021 begonnenen und auf drei Jahre angelegten Drittmittelprojekts „Innovative Konzepte und Angebote für die  zeitgemäße digitale Lehre an Musikhochschulen“ das von der Stiftung für Innovation in der Hochschullehre finanziert wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr herzlich danke ich Ihnen für Ihr heutiges Kommen.

Ich darf begrüßen:

- Frau Staatssekretärin Petra Olschowski
- Herrn Michael Joukov als weiteren Vertreter des Landtags von Baden-Württemberg
- Herrn Ersten Bürgermeister Christian Specht
- Frau Stadträtin Dr. Birgit Reinemund, Herrn Stadtrat Markus Sprengler und Herrn Stadtrat Prof. Dr. Alfried Wieczorek

Stellvertretend für die befreundeten Hochschulen begrüße ich Herrn Rektor Prof. Christian Fischer und Herrn Rektor Prof. Dr. Thomas Puhl.

Weiterhin begrüße ich sehr herzlich die Vertreter der anderen musikalischen Institutionen, der Justiz, der Wirtschaft und der Kirchen.

Ich begrüße sehr herzlich alle Hochschulmitglieder, insbesondere Frau Ehrensenatorin Verena Knirck, Herrn Ehrensenator Heinz-Günter Kämpgen und Herrn Ehrensenator Siegfried Kendel sowie die Mitglieder des Hochschulrats und des Senats.

Last but not least begrüße ich natürlich sehr herzlich alle anderen Gäste unserer heutigen Veranstaltung. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich nicht alle Gäste namentlich nennen kann.

Ich danke sehr herzlich den Vertretern der Medien für ihre Berichterstattung und allen, die die Veranstaltung heute vorbereitet haben und ihre Durchführung tatkräftig unterstützen.

Im Anschluss darf ich alle namentlich eingeladenen Gäste noch zu einem Empfang in den Kammermusiksaal der Hochschule bitten. Wenn Sie das Kino verlassen, wenden Sie sich bitte zweimal nach rechts,  dann stehen Sie vor dem Eingang des Neubaus der Hochschule. Ich wünsche Ihnen allen einen interessanten und anregenden Tag.

Ich danke Ihnen herzlich!